Montag, 26. Juli 2010

Lowlands 2010





Ein 1.200er zu Beginn der Ferienzeit, wie genial. Aber halt, der beginnt ja doch einen Tag zu früh. Fragen kostet nichts und siehe da: Johann und ich dürfen 25 Stunden später nachstarten.

Die Vorbereitung im Vergleich zu LEL diesmal minimal: es wird einfach eins der Getränkepulver genommen, die offen sind; das Rad ist fertig und auch das Reisegepäck dank der vorherigen Brevets schnell ausgewählt. Schlafsack, ein kompletter Satz Wechselgarderobe plus noch eine zusätzliche Hose, 4 TetraPaks Eiskaffee, 1 Beutel Paderborner, 1 Paket Scheibenkäse und diverse Riegel und Gels.

Wir beginnen unseren Urlaub am 15. Juli mit einer Pizza in Zwolle. Als wir zum Auto wollen, schüttet es wie aus Eimern. Nützt nichts, wir werden von Gerrits Frau erwartet. Auf dem Weg dorthin kurz umgezogen und dann gemütlich Tee trinken und die Räder klar machen. Um 21 Uhr ist unser Start: tschüss Ineken, bis die Tage.

Der Regen hat aufgehört, aber windig ist es. Da damit in NL durchaus zu rechnen war, hab ich vorher schon gescherzt: ich weiß, wo ich mich dann verstecke…

Es geht zunächst in nordwestliche Richtung. Für die erste Kontrolle in Nijemirdum hatte uns Gerrit mitgeteilt, dass wir dort wohl nichts mehr finden würden, wir sollten es in Lemmer versuchen. Na gut, wir suchen – wir suchen lange. Von einem Wohnmobilisten aus Wesel bekommen wir schließlich den Hinweis, dass auf der Strecke ein Hotel liegt. Der Nachtportier ist unsicher, ob er uns reinlassen soll. Versteht dann aber unser Anliegen und so bekommen wir unseren ersten Stempel.















Weiter zum Abschlussdeich. Was uns erwartet, ist uns klar: 30 Kilometer feinster Gegenwind, besser gesagt Gegensturm. Vorher will ich auf jeden Fall noch etwas essen und wärmer anziehen. In dem Wind bleibt uns lediglich der Windschatten einer Brücke als Schutz, wo man es mal für einige Minuten aushält, stehen zu bleiben. Also Picknick, Beinlinge, Windjacken und Socken anziehen und mutig los. Einen 15er Schnitt haben wir als Brutto-Vorgabe. Mehr als 15 km/h sehe ich als Geschwindigkeit so gut wie nie. Stattdessen viel zu häufig eine „12“. Was für ein Mist! Gerade am Anfang so reinzutreten ist Gift für meine Patellasehne, wenn das mal gut geht.


Am frühen Morgen ist es geschafft, wir suchen in Den Oever unsere nächste Kontrollmöglichkeit. Der Ort schläft noch, da sehen wir Licht in einem Privathaus, an dem „B&B“ steht. Die Frau ist etwas erstaunt, versorgt uns aber mit unserer Bestätigung und lässt mich auf die Toilette – brrrrrrh, mich schüttelt es heute noch. Was jetzt noch fehlt, ist etwas Schlaf. Einen Bankautomaten gibt es, aber außen, der nützt also nichts. Beste Gelegenheit, die sich bietet: hinter einem Gebäude im Freien. Ungestört in den Schlafsäcken gönnen wir uns eine knappe Stunde Pause.

Gegen 06:30 Uhr geht’s weiter. Ein Dixie-Klo für Johann zwischendurch an einer Schule, danke an die die Arbeiter dort. Frühstücken im Einkaufszentrum in Middenwaard. Und dann 80 zermürbende Kilometer zum Nordseekanal. Mit der kostenlosen Fähre rüber und ich habe erst mal die Nase voll. Der Gegenwind macht mich fertig. Lächeln für ein Foto? Neeeeee.

Nach ner Cola und ner halben Stunde Beine hoch und Augen zu geht es natürlich wieder weiter. Spaß ist anders. Urlaub? Gar Hochzeitsreise? Wenn es nicht mit dem Teufel zugeht, gibt es auch eine Zeit nach dem Gegenwind. Darauf setze ich dann mal.

90 km nach Maasdijk. Es geht Richtung SO, immer noch heftiger Gegenwind. Mittagessen mit schlechten Hamburgern und Frühlingsrolle in einem Imbiss in Leiden. Wieder Böötchenfahren und dann eine Kontrollmöglichkeit suchen. 50 Minuten Pause.

Auf nach Gertruidenberg. Besonderheit auf dieser Etappe: es geht in einen Aufzug, der uns zur Fahrradspur unter die alte Maas bringt. Auf der anderen Seite bringt uns ein Aufzug wieder nach oben. Faszinierend. Landschaftlich und stimmungsmäßig eine richtig schöne Etappe. Eine Kneipe bestätigt unsere Anwesenheit und gibt uns einen Tipp, wo denn eine Bank zu finden ist. Die ist auch schnell gefunden: ohne Vorraum, Automaten draußen. In den Niederlanden ist einiges anders als in Deutschland ;-) Na gut, es ist trocken und warm – ab in einen Hinterhof. 1,5 Stunden Ruhe.

400 offizielle Kilometer sind geschafft, in Realität bereits einige mehr. Gut 80 km bis Valkenswaard. Kontrolle? Alles tot hier morgens gegen 5. Aber siehe da: ein Fußgänger, der seinen Hund ausführt. Das muss diesmal reichen: der Mann bekommt einen Stift in die Hand gedrückt und unsere Karten – hat er doch auch was zu erzählen für den Tag. Jetzt schlafen! Nur wo? Eine schlafende Tankstelle lädt ein. Die hinterste Waschkabine wird unser Schlafabteil, schon richtig Luxus. Eine Stunde Tiefschlaf.

Wenn wir Maastricht im Zeitrahmen schaffen, sollte das Brevet eigentlich kein Problem mehr werden. Ab dort geht es wieder richtig Norden und außerdem nach 600 km die erleichterten Bedingungen: statt eines 15er Schnitts ist lediglich ein 13er Schnitt einzuhalten, schon ein Unterschied.

Unvermeidbar verbunden mit Maastricht sind Kilometer am Kanal. Wir stapfen zu Fuß durch eine Baustelle, orientieren uns mit dem Navi und der Streckenbeschreibung. Das Knotenpunktsystem ist idiotensicher, aber warum fehlt uns auf einmal eine Zahl? Also etwas suchen und irgendwann wieder die richtigen Zahlen finden. Wir kommen ins Stadtgebiet von Maastricht, ich erkenne von Ivos Brevets einiges wieder. Die Jugendherberge, die wir uns auch für die Kontrolle ausgesucht haben, ist nicht mehr weit.

09:55 Uhr, ich liege auf dem Boden, von oben gucken mich drei Gesichter an. Mir tut die Schulter weh. Was ist los? Ich kann aufstehen, ok. Wir sind in Maastricht, ja das erkenne ich. Auf nem 1.200er? Was für ein 1.200er? Ach ja, da war was, irgendwas dämmert mir. Was ist denn eigentlich passiert? Johann bremste für eine rote Ampel, die ich wohl nicht gesehen habe und ich bin ihm in die Packtasche reingefahren. Daraufhin - wie es die Spuren an Knöchel, Ellenbogen und Schulter verraten - nach links umgekippt. Als klar ist, dass es mir soweit ganz gut geht, schwingt sich Johann aufs Rad und holt von der Jugendherberge unsere Stempel. Ich warte und versuche mich zu erinnern. Völlig benebelt geht’s dann erstmal in die Innenstadt was zu essen und zu trinken kaufen und dann im Schatten erholen. Der Kopf schmerzt etwas, mir wird wieder bewusst, was wir eigentlich gerade machen. Das Befinden war schon mal besser, aber es geht. Nach fast 600 Kilometern würde ich doch gerne mal die Hose wechseln. Bei einem Opelhändler nach wenigen Metern bietet sich die Gelegenheit.

Keine Ahnung, ob oder wie lange das gut geht, aber zur Zeit gibt es keinen Anlass, den Brevet abzubrechen. Also machen wir uns auf den Weg Richtung Norden. Posterholt, Roermond, Venlo – fast schon heimische Ortsnamen. Gerade im Bereich von Venlo bestaunen wir die Sturmschäden. Was dort an Bäumen entwurzelt ist, ist unglaublich. Eispause an einem Supermarkt. Um 18:13 Uhr bekommen wir an der Autobahnraststätte in Oirlo unseren Kontrollstempel, essen und duschen dort – ein großartiges Gefühl. Eine Pause von 1 3/4Stunde und mir geht es soweit gut.

Es geht Richtung Deutschland. Bei Geldern beginnt der Regen. Es folgen Blitz und Donner. Regenjacke und Sandalen sind bewährte Utensilien beim Radeln im Sommer. Auf dem Weg nach Wesel regnet’s wie aus Eimern, was soll’s. In Wesel dann endlich wieder: ein Bankvorraum! Fast 2 Stunden gönnen wir uns dort. Die nächste Kontrolle ist in Rhade, ein 24-Stunden-Mäckes an einer Tankstelle. Um 02:50 Uhr geht es von dort weiter.

In Rorup gönnen wir uns in der Volksbank ein erneutes Päuschen. Einschließlich Frühstück in der Bäckerei gegenüber werden es 2,5 Stunden.

Zweites Frühstück vom Edeka in Alstätte. Zurück nach NL. In Hengelo geht’s zur Kontrolle an eine Texaco-Tankstelle. Es stehen fast 90 km an bis Zwolle. Der Schädel meldet sich bei Unebenheiten, es lässt sich aber aushalten. Highlight: eine traumhafte Heidelandschaft, mit der ich absolut nicht gerechnet hatte: der Nationalpark Sallandse heuvelrug. Zwolle erreichen wir gegen 15:30 Uhr. Bis 17:00 Uhr gönnen wir uns eine Pause mit Suppe, Schwätzchen und nochmaligem Hosenwechsel. Auf einen Besuch unseres Bagdrops im Auto verzichten wir, die Vorräte reichen noch und klamottenmäßig reicht es uns auch für die letzten 250 Kilometer.

Aus Zwolle raus bewundern wir wunderschöne Häuser, auch originell orangefarben-gestaltete. Dass gepflasterte Ortsdurchfahrten schöner sind als geteerte, können auch nur Autofahrer meinen. Ne ne ne, unfassbar, was einem da angetan wird. Eine schöne Strecke, wir gönnen uns ein Picknick am Kanal bei Bovensmilde. Unser Brot ist leider verschimmelt, der Käse schmeckt auch ohne Brot. Mini-Salamis runden das Mahl ab.

In Groningen erhalten wir unseren Stempel in einem Hotel und suchen anschließend eine Schlafgelegenheit. Auf einmal schießt ein Köter kläffend auf mein Rad zu. Ich mag Hunde und habe normalerweise keine Angst vor ihnen. Der hat es geschafft. Was hab ich mich erschrocken. Irgendwann ist er weg und ich kann erstmal durchatmen. An einer Kirche erhoffen wir uns ein stilles Plätzchen. Die Kirche ist innen umgebaut und dient als Wohnhaus. Also drinnen schon mal nichts. Um die Ecke geschaut und beschlossen, dass wir verborgen genug liegen würden. Wir zwängen uns in eine Nische zwischen Haus und Busch und liegen über 4,5 Stunden. Als wir wach werden ist es ziemlich feucht und kühl. Wir ziehen uns warm an und machen uns auf den Weg.

Eine kurze 60-Kilometer-Etappe nach Warten. Dort ist für uns kontrollmäßig nichts zu finden, also geht’s weiter und wir entdecken einen gerade geöffneten Shop eines Campingplatzes in Grou. Passend für ein Frühstück um 8 Uhr.

Bei Steenwijk um 11:30 Uhr lockt uns ein Garten zur Kaffeepause. Die letzten 37 Kilometer bis Zwolle absolvieren wir in ca. 2 Stunden. Lowlands1200 ist nach 88,5 Stunden (69,5 netto) geschafft. Bei Gerrit gibt es Dusche, Tee und Kekse und wir machen uns auf den Weg zum Erholungsurlaub auf den Zeltplatz.

Fazit:

Kein Platten
Kaum dicke Beine
Keine Knieprobleme
Deutlich geschwollenere Augen als nach LEL
Das Gesäß hat es besser mitgemacht als vorher befürchtet
Ein neuer Helm ist bestellt – die Kopfschmerzen nach dem Sturz fanden ihre
Erklärung, als ich mir den Helm von innen angesehen habe
1.200 km ohne Unterstützung bedeuten eine Menge Zeit, die für Sucherei draufgeht

Das Wichtigste: es wurde ab Maastricht die erhoffte Urlaubsfahrt: relativ ohne
Zeitdruck, so macht es doch Spaß!

Die Tour: http://www.gpsies.com/map.do?fileId=ymrgmxlypprtoicc">

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